
Selten kann man viel haben von Menschen, derer man bedarf.
– Luc de Clapiers Vauvenargues –
Emotionale Bedürftigkeit – ein Thema das gleichermaßen sensibel als auch mit genauem Blick betrachtet werden darf. Ich beziehe mich dabei auf zwischenmenschliche Beziehungen jeglicher Art – doch insbesondere auf die der Partnerschaft.
Viele Jahre habe ich, ohne es zu wissen, aus Bedürftigkeit gehandelt. Nicht zuletzt, weil ich es nicht anders wusste.
Ohne es zu merken, habe ich mein persönliches “Glück” immer in einer anderen Person, (m)einem Partner, gesehen. Ich habe also mein Glück davon abhängig gemacht, ob ich einen Partner hatte, oder nicht. Wie sehr mich dieser begehrt und verehrt hat, wie viel Aufmerksamkeit er mir schenkte etc. Oft vergaß ich mich dadurch selbst. Ich gab immer mehr, um das zu bekommen, was ich mir unter Glück vorstellte … Was ich zurück bekam, wurde mit der Zeit immer weniger. Ein Kreislauf begann.
Einer dieser Kreisläufe führte zu dem Einschlag, den ich unter “Wie alles begann” aufgreife. Ich begann zu realisieren, dass hier etwas mächtig falsch läuft und dass das nicht alles sein konnte. Nur wusste ich nicht, wie ich mich daraus “befreien” konnte. Ich suchte mir Unterstützung und diese war der Anfang von der Reise, auf der du mich hier begleitest.
Als ich zu einem späteren Zeitpunkt auf einen Menschen traf, bei dem alles anders war, wurden die starken Zweifel an meinen bisherigen Verhaltensmustern bekräftigt und die Schritte in die Besserung und das Verständnis trugen ihre Früchte: Ich durfte nicht nur in der Theorie miterleben, dass es auch anders geht. Heute bin ich mir sicher, dass ich es nicht allein meiner Entwicklung zu verdanken hatte, diese Erfahrung gemacht zu haben, sondern auch dem Menschen, auf den ich getroffen bin.
In anderen zwischenmenschlichen Beziehungen lag meine Bedürftigkeit in dem Feedback, welches ich von meinen Mitmenschen benötigte. Das spiegelte sich darin wieder, das Gefühl bedient zu wissen, dass man gebraucht wird, in den Gedanken anderer präsent zu sein oder aber nach meinen Vorstellungen gehandelt wird … um nur einige Bespiele zu nennen.
Auch hier habe ich viele liebe Menschen um mich, an und mit denen wachsen darf und durfte.
Aber woher kommt diese emotionale Bedürftigkeit?
Aus meiner Sicht baut sie sich aus seinem eigenen Erlebten und auch unbewusst durch Vorgelebtem auf. Durch emotionale Verletzungen, die einem widerfahren sind; durch Verlustangst, die dadurch entstehen kann; durch einen Mangel. Dies alles galt es an die Oberfläche zu bringen und zu verarbeiten.
Auch wenn sich die Worte Bedürftigkeit und Bedürfnis in ihren Buchstaben nur wenig unterscheiden, so macht es einen großen Unterschied wie man sie lebt und danach handelt.
Für mich kann ich durch eine einfache Fragestellung beides voneinander differenzieren:
BRAUCHE ich etwas, um glücklich zu sein oder MÖCHTE ich etwas (um mein Glück zu ergänzen). MUSS ich etwas tun oder KANN ich etwas tun?
Anders formuliert:
- Warum sollte ich jemand anderen für mein Glück verantwortlich machen?
- Warum mache ich mich nicht selbst dafür verantwortlich?
- Was kann ICH mir selbst Gutes tun, um glücklich und zufrieden zu sein?
- Wie stelle ich mir eine Partnerschaft / Freundschaft vor?
- Was wünsche ich mir von einer zwischenmenschlichen Beziehung?
- Was ist mir wichtig?
- Welcher meiner Werte spielen dabei eine Rolle?
- Wie kann ich das umsetzen?
Ich schaue also mindestens zwei mal hin und frage mich: Handele ich, weil ich es so möchte oder weil ich es so brauche?
Das Schöne ist: mittlerweile kommen die unterschiedlichsten Feedbacks, derer ich früher bedürftig war, von ganz allein. Unerwartet und “alles zu seiner Zeit“. Dafür bin ich sehr dankbar.
Ich bin mir sicher manchmal kommen sie auch deshalb, weil ich nun selbst in der Lage bin Feedback zu geben und meine Bedürfnisse mitzuteilen.
Auch heute weiß ich noch nicht zweifelsohne, ob ich frei von Bedürftigkeit bin. Zumindest bin ich einen riesigen Schritt davon entfernt und kann mit all dem Wissen entsprechend innehalten und Situationen prüfen, bei denen ich glaube, in die Bedürftigkeit zu rutschen.